Reise der Pfarreiengemeinschaft Meitingen nach Thüringen

Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen Foto der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen


Kultur, Geschichte und Religion im Herzen Europas, 06. – 08.09. 2013



Morgenstimmung: Wie Inseln ragen die grünen Hügel aus dem dampfenden Nebelmeer, ein satter gelber Streifen Sonne kommt allmählich dazu - so die ersten Eindrücke der 61 Teilnehmer auf der Dreitagesfahrt der Pfarreiengemeinschaft Meitingen nach Thüringen. Geschickt hatte das Vorbereitungsteam als ersten Halt Vierzehnheiligen ausgewählt:

„Mein Freund, wo gehst du hin?
Vergiss nicht, dass ich dein Erlöser bin,

dass ich so viel gelitten hab für dich.
Daher bleib stehn und grüße mich!

Draußen das mahnende Wegekreuz, drinnen die überwältigende Pracht des Blumenschmucks von Maria Himmelfahrt und für Kirchweih, die den Eindruck der barocken Basilika mit der eichhörnchenhaften Munterkeit der Linienführung des Baumeisters Balthasar Neumann festlich unterstreicht.

Szenenwechsel:
Nach dem bayerischen Barock empfing uns in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt das beispiellose gotische Kirchenensemble auf dem Domberg. 70 Stufen trennen das muntere Markttreiben auf dem Domplatz von der ehemals kurmainzischen Kirchenmeile. Doch bevor wir die Domstufen hinaufstiegen, durchwanderten wir in zwei Gruppen, komfortabel ausgestattet mit Audio-Guides, die Stadt, im Mittelalter wegen ihrer 43 Kirchen und 36 Klöster auch das „deutsche Rom“ genannt. Wir machten Station in der Predigerkirche mit den „Trümmerfenstern“, kunstvoll zusammengesetzt von Heinz Hajna aus den Glasscherben, die der 2. Weltkrieg von den Kirchenfenstern übrig gelassen hatte.
Hier wirkte im Mittelalter der große Mystiker Meister Eckhart: „Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch immer der, der dir gerade gegenübersteht, und das notwendigste Werk immer die Liebe.“
In der Ruine der Barfüßerkirche gleich nebenan durften wir einen Blick auf früheste Glasmalereien in Mitteleuropa werfen, die Szenen aus dem Leben des Heiligen Franziskus zeigten.
Wir erfuhren von unserer Stadtführerin aber auch die Zusammenhänge der WaidHerstellung (Vorgänger des Indigo zur Blaufärbung von Textilien) mit der Redensart „blau machen“ am Montag und überquerten die beidseits mit über 30 Fachwerkhäusern bebaute Krämerbrücke, die als längste durchgehend mit Häusern bebaute Brücke Europas gilt. Munter plätscherte die Gera, als wir einen Blick von der Wasserseite auf die Brücke warfen und unseren Weg zum Augustinerkloster fortsetzten, in das Martin Luther nach seinem einschneidenden Gewittererlebnis im Jahre 1505 als Mönch eingetreten war. Ganz in der Nähe befinden sich im Nikolaiturm die ins 14. Jahrhundert datierten und damit ältesten Malereien aus dem Leben der Heiligen Elisabeth in Secco-Technik, sorgfältig restauriert und nur durch Zufall entdeckt, als der Putz im Vorratslager(!) abbröckelte und leuchtend rote Farbpartikel dahinter auftauchten.
Zu guter Letzt widmeten wir uns noch dem imposanten Dom, für den der Domhügel durch einen dreigeschossigen Unterbau erweitert werden musste, der nun wie der Bug eines mächtigen Dampfers in den Domplatz hineinragt. Kluge und törichte Jungfrauen empfingen uns am Eingangsportal, der Erfurter Wolfram streckte uns seine Kerzenarme entgegen und beim Chorgestühl wurden wir unterwiesen, wie man seine „Klappe hält“.
Nach kurzer Fahrt erreichten wir Gotha, dort erwartete uns nach den Strapazen des Erfurter Kopfsteinpflasters das VCH-Hotel „Am Schlosspark“. Die Rose im Badezimmer erfreute und beglückte jeden aus der Reisegruppe.
Ein lauschiger Spätsommerabend lockte einige noch in der Nacht hinauf zum illuminierten Schloss Friedenstein: unzählige Teelichter in Pergamenttüten wiesen uns den Weg hinein in den Schlosspark.
Am zweiten Reisetag hieß es früh aufstehen und ab nach Weimar. Hier standen Literatur und Geschichte im Vordergrund, aber auch das Alltagsleben und Kulinarisches kamen nicht zu kurz. So lernten wir die thüringische Kloßpresse kennen und erfuhren, warum die giftgrünen Tapeten in Friedrich von Schillers Wohnhaus zu seinem frühen Tode beitrugen. Und natürlich immer wieder der große Dichter Johann Wolfgang von Goethe, der als Prinzenerzieher 1776 nach Weimar kam und bis 1832 hier lebte: sein Haus am Frauenplan, groß genug für die Zeugnisse universaler Sammlerleidenschaft, sein Gartenhaus im Park an der Ilm, das zum Verweilen einlud, und Gingko in allen Variationen. Vor dem Nationaltheater mit dem Standbild von Goethe und Schiller wurden wir an die schwierigen demokratischen Anfänge in Deutschland zu Zeiten der Weimarer Republik nach dem 1. Weltkrieg erinnert.
Am Nachmittag ging es auf der Porzellanstraße und der Klassikerstraße weiter nach Rudolstadt zur Heidecksburg, dem prächtigsten Rokokoschloss Thüringens mit akustischen Raffinessen, und zur beschaulichen Klosterruine Paulinzella. Aus einer Einsiedelei der sächsischen Adeligen Paulina entwickelte sich zu Beginn des 12. Jahrhunderts ein Doppelkloster, dessen Kirche 1124 geweiht wurde. Den deutschen Romantikern ist es zu verdanken, dass die Ruine erhalten blieb, nachdem das Kloster mit der Einführung der Reformation aufgehoben und auch die Kirche, geschädigt nach einem Blitzschlag, als Steinbruch gedient hatte.
Der dritte Reisetag begann mit der Morgenmesse in St. Bonifatius in Gotha und führte uns schließlich nach Eisenach auf die Wartburg. Wer wollte, hätte auch mit dem Esel „Max“ oder einem Kleinbus auf die Burg gelangen können. Die meisten jedoch legten den Aufstieg zu Fuß zurück, schließlich hatten wir ja auch schon den Domberg in Erfurt gemeistert.
„Wart! Berg, du sollst mir eine Burg werden!“, prophezeite Graf Ludwig der Springer und scheute keine Tricks, um seinen Plan in die Tat umzusetzen. Da ihm der Berg nicht gehörte, ließ er 12 seiner Ritter Körbe mit Erde von seinem Besitz auf den Fels schleppen, sie konnten dann alle beschwören, dass das bebaute Land dem Grafen Ludwig gehöre. Zu den Besonderheiten der Burg zählen die mit großen Kaminen beheizbaren Räume, die Elisabeth-Kemenate mit Mosaiken aus über 2 Mio. Glassteinen, welche die Lebensgeschichte der Heiligen erzählen, fortgeführt im ersten Obergeschoss mit den großflächigen Wandgemälden des Moritz von Schwind. In der Burgkapelle auf demselben Stockwerk finden heute wieder sowohl evangelische als auch katholische Gottesdienste statt. Im Sängersaal erinnert das Wandgemälde an den legendären Sängerkrieg auf der Wartburg, dessen Thema Richard Wagner zu seiner Oper Tannhäuser inspirierte, stets ausverkauft aufgeführt im großen Festsaal ein Stockwerk höher.
Auch Martin Luther fand Zuflucht auf der Wartburg. Als er 1521 für vogelfrei erklärt worden war, versteckte ihn sein Landesherr Friedrich der Weise als „Junker Jörg“ dort. Martin Luther nutzte die Zeit, um das Neue Testament ins Deutsche zu übersetzen.
Mit einer letzten Thüringer Bratwurst gestärkt, rollten wir, prall gefüllt mit Reiseneindrücken, gen Heimat.
Dank Pfarrer Johnsons entspannender indischer Musik sowie den meditativen Texten und Gebeten wurde diese fünfte Reise der Pfarreiengemeinschaft, wie bereits alle vorher, wieder zu einem besonderen Erlebnis. Hätte ich doch fast die Witze vergessen – und Marianne – und Fehci...

Hildegard Kell